Enzian
(Bitter), 38,5 %Vol. Alkohol, 1,1 % Zucker.
Er ist selten geworden, der gelbe oder punktierte Enzian, aus dessen Wurzeln das wertvolle Elixier gewonnen wird. Hauptgrund dafür ist wiederum die Unart des „Brennens“. Da die Wurzel nur sehr wenig Flüssigkeit und vor allen Dingen fast gar keinen, für die Herstellung der Brennmaische dringend benötigten Zucker enthält, vergeudet der „Enzianbrenner“ Unmengen der streng geschützten Pflanze. (Bis zu 10 kg (zehn Kilogramm!!) für einen Liter Endprodukt. Durch das Ansatz - Verfahren von „Alpen High“ entsteht gerade mal das umgekehrte Verhältnis. Mit einem (!) Kilogramm Wurzeln ist es uns möglich, bis zu 10 Liter Enzian-Schnaps herzustellen. Noch dazu wirkt das Bitteraroma in unserem Endprodukt ungleich intensiver und abgerundeter.
Durch die Erhaltung ALLER Inhaltstoffe wird dieser Schnaps zum Mittel der Wahl als Aperitif bei Appetitlosigkeit und als Digestiv bei dyspeptischen Unwohlsein wie Völlegefühl, Blähungen und diversen Verdauungsbeschwerden. Außerdem eignet er sich hervorragend zum Mixen raffinierter Cocktails.
Der Enzian Bitter ist gänzlich ohne Zucker und zeigt sich, da er nicht filtriert wird, etwas trüb und, je nach Beschaffenheit der Wurzeln, mit einem seifig- grauen bis hellbraunen Farbton.
Er riecht intensiv nach grünen Wurzeln und frischer Erde.
Der Geschmack ist im ersten Moment schockierend bitter„ hantig“, wie man in Südtirol sagt, entwickelt sich aber nach kurzer Zeit zu einer „angenehmen, vollmundigen Bittere“, die den ganzen Rachenraum ausfüllt und die man gerne länger spüren möchte. Auch hier rückt der erdige Charakter und das intensive Aroma frischer Wurzeln in den Vordergrund.
Der Abgang ist nicht aufdringlich aber (sehr, sehr) lang und anhaltend.
Enzian (Vergleich zwischen Brand und Ansatz)
Brand:                             Die Wurzeln werden in Alkohol eingelegt und der Auszug nachher gebrannt.
Edelbrand:                Die Wurzel des Gelben Enzian werden eingemaischt und destilliert. Nur so kann ein Edelbrand entstehen. Aber die Wurzel hat zu wenig Zucker für diesen Prozess. Deshalb wird oft mit anderen Früchten gemischt
Enzianbitter durch kalte Mazeration (Einlegen-Infusion):
Die Wurzeln werden im Alkohol eingelegt, der Auszug verdünnt und grob filtriert und fertig.
 (“Enzianbitter” deshalb, weil das Wort “Enzian” (leider und völlig zu unrecht) geschützt ist und nur gebrannte Enzianpräparate das Wort “Enzian” verwenden dürfen.
 
Die Wirkstoffe des Enzian`s
Der Gelbe Enzian (Gentiana lutea) enthält mehrere bitterstoffreiche Verbindungen, die nicht nur für seinen charakteristisch herb-aromatischen Geschmack verantwortlich sind, sondern auch eine stark appetitanregende Wirkung haben. Die wichtigsten Wirkstoffe sind:
- Amarogentin – Einer der bittersten bekannten natürlichen Stoffe, der bereits in geringsten Mengen die Speichel- und Magensaftsekretion anregt.
- Gentiopikrin – Ein weiterer Bitterstoff, der die Verdauung fördert und den Appetit steigert.
- Gentiinsäure – Trägt zur Stimulierung der Magensäureproduktion bei.
- Swerosid – Ein sekundärer Bitterstoff, der synergistisch mit den anderen Verbindungen wirkt.
Diese Bitterstoffe aktivieren über die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge reflektorisch die Verdauungsfunktionen – sie erhöhen den Speichelfluss, fördern die Magensaftbildung und regen die Darmtätigkeit an.
Traditionell wird Enzianwurzel daher nicht nur für Schnaps, sondern auch in Kräuterbittern und verdauungsfördernden Teemischungen verwendet.
 
Was passiert mit diesen Wirkstoffen beim Brennen:
1. Temperaturen beim Brennprozess
- Maischeerhitzung (Vorbereitung):
- Typisch 60–75°C (für Enzymaktivierung, aber noch keine Destillation).
- Hier beginnen hitzeempfindliche Stoffe wie Gentiopikrin langsam zu zerfallen.
 
- Destillation (Brennen):
- Siedepunkt von Ethanol: ~78°C (abhängig vom Alkoholgehalt der Maische).
- Tatsächliche Brenntemperatur im Kolben:
- Kopffraktion („Vorlauf“): ~65–78°C (flüchtige, unerwünschte Stoffe).
- Herzstück („Mittellauf“): ~78–85°C (reiner Alkohol + Aromen).
- Schwanzfraktion („Nachlauf“): >85°C (schwere Bitterstoffe, Fuselöle).
 
 
- Potstill vs. Column Still:
- Potstill (traditionell): Höhere Temperaturen (bis 95°C), längere Hitzeeinwirkung → mehr Abbau von Bitterstoffen.
- Column Still (industriell): Präzisere Trennung bei niedrigeren Temperaturen → schonender für Aromen.
 
2. Reaktion der Enzian-Wirkstoffe
- Amarogentin (bitterster Stoff):
- Hält bis ~80–90°C stand, aber langsame Zersetzung bei langer Brenndauer.
- Überlebt im Herzstück, weshalb Enzianschnaps trotzdem bitter schmeckt – wenn auch weniger als die rohe Wurzel.
 
- Gentiopikrin:
- Zerfällt ab ~60°C deutlich, besonders im „Schwanz“ (>85°C).
- Trägt zur Aromenbildung bei (z. B. leicht blumige Noten).
 
- Gentiinsäure & Swerosid:
- Teilweise destillierbar, gehen aber vermehrt in die Schwanzfraktion über.
 
- Flüchtige Aromen (Heublumen, Erde):
- Werden bei 78–85°C mit dem Alkohol mitgerissen → prägen den Geschmack.
 
3. Praxis-Fazit: Warum Enzianschnaps trotzdem (etwas) wirkt
- Bitterkeit bleibt erhalten, weil Amarogentin und Reste anderer Stoffe ins Destillat gelangen – wenn auch reduziert.
- Traditionelle Brennverfahren (z. B. langsame Potstill-Destillation) bauen mehr Bitterstoffe ab als moderne Methoden.
- Edelbrände nutzen oft nur das Herzstück (78–85°C), um ein ausgewogenes Aroma zu bewahren.
Merke: Die appetitanregende Wirkung bleibt bestehen, aber ein Enzian-Tee oder -Extrakt enthält deutlich mehr intakte Bitterstoffe als der Schnaps.
Erhalt der Bitterstoffe bei kalter Mazeration mit Alkohol
Bei einer kalten Mazeration (Einlegen der Enzianwurzel in Alkohol ohne Erhitzen) bleiben die wertvollen Bitter- und Wirkstoffe weitgehend erhalten, da sie nicht durch Hitze abgebaut werden. Hier die Details:
1. Was passiert bei der kalten Mazeration?
- Die zerkleinerte Enzianwurzel wird in hochprozentigen Alkohol (z. B. 40–70% Ethanol) eingelegt.
- Der Alkohol löst über Tage/Wochen die fettlöslichen und wasserlöslichen Inhaltsstoffe heraus.
- Keine Hitze → keine Zersetzung empfindlicher Bitterstoffe.
2. Welche Stoffe bleiben erhalten?
| Wirkstoff | Stabilität bei kalter Mazeration | 
| Amarogentin | ✅ Vollständig erhalten (kein Hitzeabbau) | 
| Gentiopikrin | ✅ Vollständig erhalten (zerfällt erst ab ~60°C) | 
| Gentiinsäure | ✅ Vollständig erhalten | 
| Swerosid | ✅ Vollständig erhalten | 
| Ätherische Öle & Aromen | ✅ Besser erhalten als beim Brennen (kein Verdampfen) | 
→ Ergebnis: Ein so hergestellter Enzianbitter oder -extrakt ist intensiver und bitterer als ein gebrannter Schnaps.
3. Vergleich: Kalte Mazeration vs. Brennen
| Eigenschaft | Kalte Mazeration | Destillierter Enzianschnaps | 
| Bitterkeit | Sehr hoch | Gemäßigter (durch Hitzeabbau) | 
| Appetitanregung | Stärker | Leichter Effekt | 
| Aroma | Roh, erdig | Feiner, aber weniger komplex | 
| Alkoholgehalt | Variabel (je nach Ansatz) | Meist 40–50% | 
 
Fazit
Wenn man die maximale Wirkung der Enzian-Bitterstoffe will, ist die kalte Mazeration die beste Methode. Ein gebrannter Enzianschnaps schmeckt zwar harmonischer, verliert aber einen Teil seiner ursprünglichen Bitterkraft.
chemische Analysen und traditionelles Wissen zeigen:
Warum die kalte Mazeration die bessere Wahl für Wirkstoffe ist
- Kein Hitzeabbau
- Beim Brennen gehen durch Temperaturen von 78–95°C Teile von Amarogentin & Gentiopikrin verloren.
- Bei der kalten Mazeration bleiben alle Bitterstoffe voll erhalten → stärkere phytotherapeutische Wirkung.
Volles Aromaspektrum
- Destillation filtert flüchtige Aromen – Mazeration bewahrt die erdig-blumige Komplexität der Wurzel.
Tradition vs. moderne Wissenschaft
- Viele Alpenbitter-Hersteller mazerieren bewusst kalt (z. B. für Verdauungsschnäpse), weil sie wissen: Die Bitterkraft leidet beim Brennen.
- Studien zeigen, dass Amarogentin in Mazerationen bis zu 3x höher konzentriert sein kann als in gebranntem Schnaps.
Aber warum wird dann Enzian überhaupt gebrannt?
- Geschmackliche Glättung: Die Destillation entfernt grobe Bitterketten, macht den Schnaps trinkbarer.
- Haltbarkeit: Hochprozentige Destillate sind länger stabil.
- Tradition: Brennen war früher die einzige Methode, um haltbaren Alkohol herzustellen.
Wer aber die volle Kraft des Enzians will, muss auf kaltes Ausziehen setzen. Brennen macht einen runderen, aber „entschärften“ Schnaps. 
  
Vergleichende Verkostungen zeigen:
- Intensivere Bitterkeit
- Die Mazeration bewahrt die ursprüngliche Schärfe von Amarogentin & Co., während gebrannter Schnaps durch Hitze „entschärft“ wird.
- Bestätigt: Die appetitanregende & verdauungsfördernde Wirkung ist im Mazerat stärker.
Komplexeres Aroma
- Gebrannter Enzian verliert Teile seines erdig-blumigen Charakters (weil flüchtige Stoffe beim Destillieren selektiv entweichen).
- Ein Mazerat schmeckt vermutlich roher, aber authentischer – so, wie die Wurzel wirklich riecht und schmeckt.
Tradition vs. moderne Erwartungen
- Viele erwarten von Schnaps eine „glatte“ Trinkbarkeit – deshalb bevorzugen sie Destillate.
- Aber: Wer die echte Enzian-Kraft sucht (z. B. für Kräutermedizin oder kräftige Bitterliköre), greift zur Mazeration.